Erneut bietet die Freie Universität Berlin einer bekennenden Israel-Hasserin eine Bühne – und ignoriert die Warnungen jüdischer Studenten.

Die Freie Universität Berlin hat sich eine Dozentin mit fragwürdigen politischen Positionen eingeladen – mal wieder. Am Mittwoch soll die amerikanische Anthropologin Susan Slyomovics an der Hauptstadt-Uni einen Vortrag über deutsche Reparationszahlungen an Holocaust-Überlebende halten.

Der Titel ihres Vortrags: „The Afterlives of Wiedergutmachung: Algerian Jews and Palestinian Refugees“. Die zentrale Frage: Ab wann sollten Opfer von Kriegsverbrechen Reparationszahlungen annehmen? Ist es überhaupt moralisch vertretbar, Leid mit Geld zu kompensieren? Diese Thematik handelt Slyomovics an der Geschichte ihrer eigenen, tschechoslowakischen Familie ab, die den Holocaust zwar überlebte, die angebotenen Wiedergutmachungszahlungen der deutschen Behörden aber ablehnte.

Die Diskussion über Moral und Krieg erscheint im ersten Moment durchaus legitim. Würde der Ankündigungstext nicht einen fragwürdigen Vergleich beinhalten: Nämlich, wenn die Wissenschaftlerin die Kompensation von „kolonialen Verbrechen“ am „aktuellen Konflikt in Israel und Palästina“ diskutieren will.

Akademische Holocaustrelativierung

Dieselbe These hat Slyomovics bereits in ihrem Buch „How to Accept German Reparations“ vertreten. Wenn Juden von Deutschland Reparationszahlungen erhalten sollten, dann stünden Palästinensern und den vom Vichy-Regime verfolgten algerischen Juden ebenfalls Zahlungen zu, argumentiert die Anthropologin. Der Grund: Die Reparationszahlungen Deutschlands an Holocaust-Überlebende wären nur eine Idee der rechtsgerichteten Zionisten während der Staatsgründung Israels gewesen. Auch Palästinenser und Algerier sollten monetär entschädigt werden, weil sie Opfer des westlichen „Siedlungskolonialismus“ seien.

Slyomovics stellt hier nicht nur die Politik Israels in eine Reihe mit den Massenmorden, die von den Imperialmächten im Zuge des Kolonialismus verübt worden sind. Sie relativiert auch den Holocaust, indem sie die Ermordung von über sechs Millionen Juden mit den „palästinensischen Flüchtlingen“, die nach der Staatsgründung Israels im Jahr 1948 das Land verließen, gleichsetzt.

Ein Vergleich, der wohl nicht zufällig zum Gegenstand ihres geplanten Vortrages an der FU Berlin geworden ist. Denn bereits bei einer Konferenz an der University of California (UCLA) soll die Anthropologin die Politik Israels mit derjenigen der Nationalsozialisten verglichen haben: „Wenn die Juden Reparationszahlungen von Deutschland annehmen können, dann können die Palästinenser auch Reparationen von Israel annehmen. Was die Deutschen den Juden angetan haben, ist das, was die Israelis den Palästinensern angetan haben.“

Eine Freundin der BDS-Bewegung

Slyomovics geht es hier also nicht primär um eine anthropologische Erörterung des moralischen Umgangs mit Kriegsverbrechen, sondern um die Diffamierung Israels. Und das nicht zum ersten Mal. So unterstützt die Wissenschaftlerin die BDS-Bewegung und unterzeichnete im Oktober 2014 eine Petition, die zum akademischen Boykott von israelischen Universitäten aufrief. Die„BDS“-Kampagne fordert die Vernichtung Israels durch internationale Handelsboykotte und Desinvestitionen und wird von der palästinensischen Terrororganisation Hamas unterstützt. Der Berliner Senat stuft die „BDS“-Bewegung daher als antisemitisch ein und stellt ihr aus diesem Grund keine städtischen Räumlichkeiten zur Verfügung.

Doch auch der Boykott-Aufruf von mehreren Hundert Holocaust-Überlebenden, der 2014 in der „New York Times“ erschien und international für Aufsehen sorgte, wurde von Slyomovics unterstützt. In Form eines offenen Briefs, der vom antijüdischen Netzwerk „International Jewish Anti-Zionist Network“ initiiert wurde, warfen die Unterzeichner Israel einen „Genozid“ an den Palästinensern vor und riefen zum wirtschaftlichen, kulturellen und akademischen Boykott des Staates auf. Der Brief war eine Antwort auf eine Kampagne des Nobelpreisträgers Elie Wiesel, der die Hamas damals dafür verurteilte, Kinder als „menschliche Schutzschilder“ zu missbrauchen.

Berlin schaut weg

In Berlin scheint man sich indes nicht am politischen Engagement der Amerikanerin zu stören. Nachdem die Bündnisse „Gegen jeden Antisemitismus Berlin“, das „Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus“, „Studentim – Jüdische Studierendeninitiative Berlin e.V.“, die „Jüdische Studierendenunion Deutschland“ und das „Junge Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Berlin und Brandenburg e.V.“ ihre Bedenken über die BDS-Unterstützung und die fragwürdigen Äußerungen der Vortragenden äußerten, wurden sie von der Uni-Leitung beschwichtigt.

Man könne den Bedenken der vier Organisationen „nicht folgen“ schrieb Paul Nolte, Leiter des„Dahlem Humanities Centers“, an dem die Veranstaltung stattfindet,  in einem Brief, der den Salonkolumnisten vorliegt. Das „Dahlem Humanities Center“ und die FU Berlin würden außerdem „entschieden gegen jeden Antisemitismus“ stehen, heißt es in dem Brief weiter.

Auch der Sprecher des Uni-Präsidenten wiegelte ab. Die Freie Universität Berlin sei „ein Ort, an dem Antisemitismus grundsätzlich nicht geduldet wird. Jegliche Diskriminierung von Menschen werde an der Universität nicht toleriert. „Die Freie Universität ist ein weltanschaulich neutraler und unparteiischer Ort, an dem der wissenschaftliche Diskurs und die akademische Freiheit im Mittelpunkt stehen. Das gilt auch für eine sachlich-kritische Diskussion im Rahmen der DHC Lecture mit Frau Prof. Slyomovics“, sagte er weiter. Die Frage, wie sich die FU Berlin zur „BDS“-Bewegung positioniert, blieb unbeantwortet.

Eine moralische Katastrophe

Das „Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus“ (JFDA) kritisiert das Verhalten der Uni-Leitung: „Die Reaktion ist schwach. Das Berliner Abgeordnetenhaus verurteilt die ‚BDS‘-Kampagne als antisemitisch und die FU Berlin entscheidet sich, keine Stellung zu einer BDS-Aktivistin zu beziehen. Angesichts des zusehends feindseligen Klimas gegen Israelis und Juden in Berlin ist das fatal.“ sagte Matheus Hagedorny. „Die Dämonisierung und Delegitimierung Israels bleibt auch dann eine moralische Katastrophe, wenn sie von Holocaust-Überlebenden unterstützt wird.“

Auch Studenten der FU Berlin kritisierten die Reaktion der Freien Universität: „Es wäre politisch und moralisch fatal, sollte sich die Freie Universität Berlin entschließen, ausgerechnet einer Unterstützerin derartiger Kampagnen eine Bühne zu bieten. Vorangegangene Fälle ähnlicher Art, wie beispielsweise jener der Lehrbeauftragten Roldan Mendivil, der Lila Sharifs oder die Vorkommnisse um Pedram Shahyar und Andreas Schlüter waren genug und trugen wenig zum öffentlichen Ansehen der FU Berlin bei“, äußerte sich das Bündnis „Gegen jeden Antisemitismus“.

Tatsächlich ist es nicht das erste Mal, dass die Uni-Leitung Unterstützern und Sympathisanten der BDS-Bewegung eine Bühne gewährt. Schon im November 2017 sollte die Kulturwissenschaftlerin Lila Sharif einen Vortrag über die verschwindenden Olivenbäume in Palästina halten, wie die Salonkolumnisten berichteten. Ihr Fazit: Israel sei ein „Apartheid-Staat“, ein „Projekt der Zionisten“, um „Palästina komplett zu vernichten“. Auch Sharif stilisierte Israel, wie ihre Kollegin Slyomovics, zur massenmordenden Kolonialmacht. So nutzte sie in ihrer Doktorarbeit zum selben Thema BDS-Propaganda als objektives Quellenmaterial und unterstützte die These, dass Israel in den palästinensischen Autonomiegebieten „ethnische Säuberung“ durchführe.

Auch damals wollte sich die Uni-Leitung nicht positionieren. So sah der Pressesprecher des Präsidenten Peter André-Alt auf Nachfrage des „Tagesspiegel“ kein Problem in den Thesen Sharifs und erklärte, dass sich über Begriffe wie „Apartheid-Staat“ und „Genozid“  im Zusammenhang mit dem Israel-Palästina-Konflikt durchaus „streiten lässt“. Eine eindeutige Distanzierung der Freien Universität Berlin von derartigen Thesen blieb bis heute aus.