Faktencheck beim Umweltministerium
Was passiert, wenn die Regierung mit dem Volk diskutieren will, aber ihren Job nicht ernst nimmt? Das Volk checkt die Fakten selbst. Unsere Autorin hat sich angesehen, wie das Umweltministerium Energiepolitik darstellt.
Es kommt wieder etwas Bewegung in die klima- und energiepolitische Diskussion. Im Westen tobt die Braunkohlen-Kontroverse, und der Bundesrechnungshof nörgelt über Geldverschwendung bei der Energiewende-Förderung. Nach Jahren des Schweigens und Desinteresses wagen sich neuerdings einige Nuklear-Ketzer hervor und sagen, man solle doch noch einmal kritisch über das 2011 beschlossene deutsche Kernenergie-Verbot nachdenken. Und wie es der Teufel will, kündigt ausgerechnet jetzt die Klima- und Atomausstiegs-Kanzlerin ihr persönliches Laufzeitende an. Ironischerweise wird sie‘s nicht länger machen als das letzte deutsche Kernkraftwerk.
Diskutieren à la BMU
„Mit Atomkraft gegen den Klimawandel? Höchste Zeit, diese und weitere gängige Behauptungen einem Faktencheck zu unterziehen. Und es bleibt dabei: Bis spätestens 2022 wird in Deutschland das letzte Atomkraftwerk abgeschaltet.“
Grüne Häkchen, rote Kreuzchen
„Atomstrom ist keineswegs CO2-neutral“, „Unsere Stromversorgung ist sicher“, „Deutschland produziert Strom im Überfluss“. Und es versah mit einem fetten roten Kreuz, was man besser nicht denken sollte: „Atomkraft hilft beim Klimaschutz“, „Ohne AKWs gehen die Lichter aus“.
Dabei bediente sich das BMU des beliebten Tricks, Aussagen zu falsifizieren, die in dieser Form gar nicht gemacht wurden. Denn niemand behauptet, die Kernenergie sei „CO2-neutral“ – selbst die Erneuerbaren sind es nicht. Auch sagt niemand, ohne Kernkraftwerke säßen wir im Dunkeln; dieses historische Verdienst gebührt allein dem aus heutiger Sicht prähistorischen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Filbinger, der bekanntlich gesagt hat, ohne das (nie gebaute) KKW Wyhl gingen im Ländle die Lichter aus.
Doch heute sind wir näher dran am Notstromfall als damals, wie jeder Lastverteiler – würde ihn das Ministerium denn mal fragen – bestätigen könnte: Noch gehen bei uns die Lichter nicht aus. Aber weil das Energiewende-Endsieg-gewisse Deutschland beabsichtigt, der Kernenergie auch noch die Braunkohle hinterherzuschmeißen, wird es eng mit der gesicherten Leistung.
Es bleiben dann nur mehr Pumpspeicher, Wasserkraft und Biomasse-Verstromung nebst (noch zu errichtender) Gaskraftwerke als Backup-Struktur für die wetterabhängigen Wind- und Solarkraftwerke – viel zu wenig, um die in Flautewochen und bei Dunkelheit fehlende Erneuerbaren-Leistung zu ersetzen. Was die Erneuerbaren bedauerlicherweise häufig tun – Strom zu produzieren, wenn keiner ihn braucht – bejubelt das BMU hingegen als „Strom im Überfluss“.
Und hier kommt das Volk

Achtsamkeits-Gedöns als Fakten-Ersatz

Dort werden die CO2-Emissionen von Kernstrom im Vergleich zu den in der Fachliteratur genannten Werten sechs- bis siebenfach höher veranschlagt. Die obskure Webseite verlinkt wiederum auf einen „independent consultant“ in den Niederlanden. Offensichtlich wurden diese Angaben weder problematisiert noch überprüft, weil sie eben in den Kram passten. Das ist einfacher, als die im eigenen Hause ohne Zweifel vorgehehaltene Expertise zu nutzen oder dicke Studien renommierter Forschungsinstitute zu wälzen.
Womit wir wieder bei unserer Eingangs-Beobachtung wären: Wer oder was ist das Umweltministerium? Und wer kontrolliert eigentlich, was dieses Haus an Textproduktion verlässt? Es ist unter anderem letztverantwortlich für die atomrechtliche Aufsicht über kerntechnische Anlagen und deren Betreiber, welche in Auftragsverwaltung von den Bundesländern durchgeführt wird. Zu seinem Auftrag zählt jedoch weder, gegen jene Anlagen Stimmung zu machen, die es beaufsichtigen soll, noch, sich als NGO mit Bundesadler-Deko aufzuführen. Das Ministerium sollte folglich sein Social-Media-Team dahin schicken, wo es hingehört: zur Umwelthilfe, zum BUND oder zu Greenpeace, oder meinetwegen auch auf die Bäume im Hambacher Forst.