Mehr und mehr afrikanische und asiatische Forscher, Universitäten, Regierungen und Landwirte setzen auf grüne Gentechnik. Europäischen Aktivisten passt diese Emanzipation nicht. Sie wollen Afrika und Asien in ein Ökoreservat verwandeln, das ihren Vorstellungen von Landwirtschaft entspricht.

Gentechnisch veränderte Pflanzen werden seit langer Zeit von NGOs bekämpft. Da diese Gruppen mit den Pflanzen kein Geld verdienen und vorgeben, für die arme Landbevölkerung, die Umwelt, für Ökolandbau und soziale Gerechtigkeit und gegen den Kapitalismus und Globalisierung einzutreten, genießen sie in den Medien ebenso wie bei linken und grünen Parteien großes Vertrauen.

Obstruktionspolitik

Führend sind dabei europäische Organisationen wie Greenpeace und Friends of the Earth (dazu zählen BUND und Global2000), die mit regionalen Büros und Ablegern in zahlreichen Ländern Asiens und Afrikas vertreten sind. Ihnen ist es gelungen, Anbau und Verkauf von Produkten, die unter Verwendung von gentechnisch veränderten Pflanzen hergestellt wurde, in Europa, Afrika und vielen asiatischen Ländern nahezu vollständig zu verhindern. Derzeit arbeiten sie daran, in Europa den Import von Viehfutter aus gentechnisch gezüchteten Pflanzen wie Soja und Mais und von Baumwolle, die mithilfe von Gentechnik gegen Insektenbefall resistent gemacht wurde, zu stoppen.

Gentechnisch veränderter Reis, Weizen oder andere Nahrungsmittel für den direkten menschlichen Verzehr wie etwa Obst oder Gemüse konnten bislang weder in den USA noch in Europa auf den Markt gebracht werden. Einzige Ausnahme: eine virus-resistente Papaya aus Hawaii, dank derer der Papaya-Anbau in Hawaii gerettet werden konnte.

In Schwellen- und Entwicklungsländern sieht das anders aus. Südafrika baut seit Jahren Mais für den menschlichen Verzehr, Bangladesch seit 2014 Auberginen an, die mit Hilfe von Gentechnik resistent gegen Schädlinge gemacht wurden. Für Bauern und Konsumenten ist das ein Segen, denn zuvor vernichteten Schädlinge einen großen Teil der Ernte – trotz des Einsatzes von Pestiziden, deren Rückstände sich selbstverständlich im Essen der Konsumenten wiederfanden.

Beispiel Bangladesh

In Bangladesh verlieren Auberginen-Farmer (die Aubergine, Brinjal genannt, ist dort ein Grundnahrungsmittel) 20 bis 40 Prozent ihrer Ernte an den Auberginenfruchtbohrer, obwohl sie in einer Saison – sie dauert etwa 200 Tage – mindestens 80mal (!), manchmal sogar 150mal Pestizide einsetzen. Viele dieser Pestizide sind im Westen wegen ihrer Giftigkeit schon lange verboten. Da es weder Sicherheitsvorschriften noch -ausrüstung gibt, gehen die Bauern in Alltagskleidung und mit tragbaren Sprühgeräten durch ihre Felder. Sie bedecken höchstens ihr Haar, damit es durch den Pestizidnebel nicht verklebt. Hände, Mund und Gesicht bleiben frei. Oft müssen Kinder mithelfen.

Dank der Bt-Brinjal-Sorte, die von einer staatlichen Forschungseinrichtung entwickelt wurde (Monsanto und andere Agrarkonzerne sind nicht beteiligt), ist das Versprühen von Insektiziden nicht mehr nötig. Die Pflanze produziert ein Protein, das den Fruchtbohrer eingehen lässt. Es stammt aus Bodenbakterien, die im Biolandbau als Insektizid versprüht werden, schadet aber bei Bt-Brinjal nicht allen Insekten, sondern nur denen, die an der Pflanze fressen. Auch wenn das Saatgut teurer ist, rechnet sich der Anbau. Die Ernte ist deutlich höher, und weil die Auberginen hochwertiger und gesünder sind, lassen sich bessere Preise erzielen. Somit gibt es in Bangladesh zum ersten Mal ein Grundnahrungsmittel, das frei von Pestiziden ist.

Westliches Luxusdenken

Diese Verbesserung von Gesundheit und Lebensqualität von Bauern und Konsumenten hält westliche NGOs und ihre Ableger in Übersee nicht davon ab, seit nunmehr fast zwei Jahrzehnten hunderte Millionen Euro einzusetzen, um diese Technik zu diskreditieren. Und hier sind wir beim Kern des Problems. Reiche Länder wie Europa können es sich leisten, auf Gentechnik und demnächst auch auf Hybridsaatgut, Pestizide und womöglich auch auf Mineraldünger zu verzichten, denn wenn in Europa die Produktivität der Landwirtschaft sinkt, lassen sich Nahrungsmittel bequem aus aller Welt importieren. Schädlinge sind für Europas Verbraucher kein Problem. Wenn die Rapsernte von Jahr zu Jahr schlechter ausfällt, weil Neonicotinoide verboten werden, importiert man Rapsöl aus Übersee. Wenn Biogemüse, Bioobst und Bioweizen in Europa wie 2016 und 2017 weitgehend ein Opfer von Pilzen werden, gibt es keine Hungersnot mehr wie noch vor zweihundert Jahren. Statt heimischer Produkte gibt es in den Supermärkten dann Biogurken aus Israel, Biokartoffeln aus Ägypten, Biowein und Bioäpfel aus Neuseeland und Biomehl aus chinesischem Bioweizen zu kaufen. Europa könnte es sich vermutlich leisten, auf Landwirtschaft komplett zu verzichten, ohne dass ein Europäer verhungern müsste.

Afrikanische und asiatische Länder haben diesen Luxus nicht. Sie sind geplagt vom Klimawandel, von Dürre, Überschwemmungen und von einer Vielzahl von Schädlingen, die in den Tropen und Subtropen ideale Lebensbedingungen vorfinden. Insekten wie Heuschrecke oder Herbst-Heerwurm fressen sich quer durch alle Nutzpflanzen. Zahlreiche Kulturpflanzen, darunter nicht nur Orangen, Kaffee und Kakao, sondern auch Koch- und Essbananen, Maniok, Weizen und andere sind akut von der Ausrottung durch Viren und Pilze bedroht. Homöopathische Pflanzenstärkungsmittel, Kupferbrühe, Fruchtfolge und Mischkulturen helfen hier noch weniger als in Europa, wo Biobauern regelmäßig 30, 40 Prozent ihrer Ernte an Pilze und Insekten verlieren.

Wunschdenken und Realität

Sri Lanka, das 2015 unter dem Einfluss westlicher NGOs den Einsatz von allen Agrochemikalien verbot, um eine „toxic free nation“, eine Nation ohne Gift, zu werden, denkt inzwischen darüber nach, das Verbot einiger Pestizide, darunter Glyphosat, wieder zu lockern. Der Grund: Die Teeplantagen werden von Unkraut überwuchert, so dass sie kaum noch zugänglich sind. In dem dichten Bewuchs breiten sich Giftschlangen aus, die Plantagenarbeitern gefährlich werden. Die Ernteverluste sind hoch. Ernteeinbußen gibt es auch bei anderen Nutzpflanzen. Beim Reisanbau ist der Wasserverbrauch durch notwendig gewordene Zusatzüberflutungen um 20 Prozent gestiegen. Schädlinge breiten sich aus. Westliche NGOs hatten zuvor fälschlicherweise behauptet, Pestizide seien für chronisches Nierenversagen in einigen Gebieten Sri Lankas verantwortlich.

Inzwischen wendet sich das Blatt auch in anderen Ländern. Die Erfolge der neuen, mit Gentechnik gezüchteten Baumwoll- und Brinjalsorten haben sich in Asien wie ein Lauffeuer herumgesprochen. Die Ernten werden besser, die Pestizidbelastung sinkt, auch akute Pestizidvergiftungen sind stark zurückgegangen. So ist es kein Wunder, dass es in Indien, in dem die öffentliche Meinung noch immer fest im Griff von westlich beeinflussten GMO-No-Initiativen ist, mittlerweile einen Schwarzmarkt für gentechnisch verändertes Saatgut gibt. Zugelassen ist in Indien nur eine insektenresistente Baumwolle; illegal angebaut werden von Millionen Bauern aber auch andere Sorten, darunter Glyphosat-resistente Baumwolle und mittlerweile wohl auch Bt-Brinjal-Saatgut, das über die Grenze von Bangladesh geschmuggelt wird. Effektiv verhindern lassen sich Schmuggel und Anbau nicht, auch wenn NGOs mittlerweile in Alarmstimmung sind.

Demokratisierung von High-Tech-Methoden

Hinzu kommt: Der Einsatz von Genome Editing-Technologien revolutioniert die Pflanzenzucht, ob NGOs es wahr haben wollen oder nicht. Sie versuchen zwar, die neuen Technologien als „extreme Gentechnik“ zu brandmarken, aber tatsächlich hat Genome Editing nichts mit der herkömmlichen Gentechnik gemeinsam: Es werden weder Gene aus anderen Arten noch Markergene wie etwa Antibiotika-Resistenzen übertragen und die genetischen Veränderungen können punktgenau gesetzt werden. Die erzielten Veränderungen unterscheiden sich nicht von Ergebnissen, die mit konventioneller Zucht erzielt werden. Der Vorteil ist jedoch, dass Genome Editing schneller ist und kontrollierter vonstatten geht als bislang übliche Zuchtmethoden.  Selbst langjährige Gentechnik-Gegner wie Urs Niggli, Leiter der Forschungsanstalt für Biologischen Landbau (FIBL) in der Schweiz, begrüßen die neue Technologie und sehen Vorteile darin auch für den Bio-Landbau.  Wenn Genome Editing verboten werden sollte, müssten konsequenterweise auch andere Eingriffe in pflanzliches Erbgut verboten werden, wie etwa die seit 1930 praktizierte und auch im Biolandbau eingesetzte Mutationszüchtung, die Hybridzucht und erst Recht die CMS-Methode, mit der heute artfremde Zellen miteinander verschmolzen werden. Die Techniken sind einfach und preiswert, für Pflanzenzucht gibt es für die wichtigsten Technologien kostenfreie Lizenzen und sie führen damit zu einer Demokratisierung schneller und präziser Verfahren, so dass auch Universitäten und Forschungseinrichtungen mit kleinen Etats in ganz Afrika und Asien damit begonnen haben, lokale Sorten und „verwaiste“ Pflanzen, die in diesen Ländern Grundnahrungsmittel sind, zu verbessern.

Doch so viel Eigenständigkeit kommt bei europäischen Aktivisten nicht gut an. Sie halten Afrika noch immer für einen Kontinent, der von Europa aus betreut und bevormundet werden muss, weil Europäer offenbar besser wissen, was gut für die leider unmündigen oder arglosen Entwicklungsländer ist.

Keine Gentechnik für Afrika!

Diese kolonialistische Parole, mit der einem ganzen Kontinent eine moderne Technologie verweigert werden soll, vertreten westliche NGOs ebenso wie das europäische Parlament, das 2016 mit großer Mehrheit (577:24:68) den Heubuch-Report verabschiedete, den die grüne Europaabgeordnete Maria Heubuch initiiert und verantwortet hatte.  Darin wird gefordert, dass die EU die Finanzierung der New Alliance for Food Security and Nutrition der G8 beendet und der grünen Gentechnik in Afrika die Unterstützung entzieht. Für die Entscheidung wurden nahezu ausschließlich Unterlagen von NGOs herangezogen; afrikanische Forscher oder Landwirte wurden weder befragt noch gehört.

Die 2012 ins Leben gerufene New Alliance ist ein landwirtschaftliches Entwicklungsprogramm, das die G8-Staaten, die EU, mehrere Firmen, die Weltbank und die Bill & Melinda Gates Foundation finanzieren. Es soll 50 Millionen Menschen in zehn afrikanischen Partnerländern von ihrer Armut befreien, indem es ihnen Investments in moderne Landwirtschaft ermöglicht.

Das betrachten wiederum die Grünen und das europäische Parlament als Kolonialismus, denn angeblich nutzt die Allianz nur den Agrarmultis. „Wir [Europäer, LW] haben bereits den Fehler gemacht, in Europa auf Intensivlandwirtschaft zu setzen und das sollten wir in Afrika nicht wiederholen, denn dieses Modell zerstört Familienbetriebe und reduziert die Biodiversität“, sagt die grüne Abgeordnete Maria Heubuch. Ob und wie die afrikanischen Staaten Gentechnik einsetzen, soll also in Europa beschlossen werden, nicht von den Betroffenen selbst. Halten sie sich nicht an die Anweisungen aus Europa, sollen sie mit der Konsequenz leben, dass es dann kein Geld gibt, um die Ernährung von 50 Millionen Afrikanern dauerhaft zu sichern. Für afrikanische Bauern ist es nach Ansicht der europäischen Parlamentarier besser, wenn sie ihre Landwirtschaft weiter so betreiben wie bisher: auf kleinen, unzureichend ausgerüsteten und unterfinanzierten Farmen, mit Saatgut, das nicht schnell genug an Schädlinge und Klimawandel angepasst werden kann, mit Kinderarbeit, giftigen Pestiziden, keinerlei Aufstiegsmöglichkeiten und der jederzeitigen Möglichkeit, nach einer Missernte in Schulden und bittere Armut abzurutschen.

Afrika widerspricht

Dass längst afrikanische Forschungseinrichtungen an modernem Saatgut und der Verbesserung von einheimischen Nutzpflanzen forschen, an denen die Agrarmultis überhaupt kein Interesse haben, interessiert europäische Parlamentarier nicht. “Sie wollen, dass wir beim primitiven Ackerbau bleiben, feststecken mit Technologien, die bereits antiquiert waren, bevor das 21. Jahrhundert begonnen hat“, schrieb der afrikanische Farmer Gilbert Arap Bor in einem offenen Brief an das EU-Parlament vor der Entscheidung über den Heubuch-Report.  „Ihre Feindschaft gegenüber Grüner Gentechnik hat uns bereits eine Generation zurückgeworfen. Bitte machen Sie keinen Schritt, der uns eine weitere Generation lang verarmen lässt, indem Sie afrikanische Regierungen entmutigen, wichtige Nutzpflanzentechnologien zu akzeptieren, die andernorts selbstverständlich sind. (…) Das Letzte, das wir brauchen, ist ein Haufen reicher Nationen, die unseren Fortschritt missbilligen, ohne auch nur einen Funken Ahnung von unserer misslichen Lage zu haben.

In einem weiteren offenen Brief von nigerianischen Farmern heißt es: „Wir wollen hiermit kategorisch klarstellen, dass wir keine weitere Form von Kolonialismus wollen, der sich aus der Entscheidung ergibt, die Sie für uns treffen wollen.  Überlassen Sie uns die Optionen auf das Saatgut, das wir verwenden.“

(Zu den Vorstellungen westlicher Aktivisten über neo-koloniale Landwirtschaft siehe auch den Salonkolumnisten-Beitrag „Bio-Paradies Kuba„)