Trump verstehen
Der Präsident sei „gewiss nicht irrational“, schrieb unser Autor Bernd Rheinberg. Hier der Widerspruch: Es gibt sieben Konstanten, von denen keine irgendwas mit Rationalität zu tun hat.
In einem Punkt möchte ich meinem Mit-Kolumnisten Bernd Rheinberg entschieden widersprechen: Doch, ich halte Donald Trump für irrational. In seiner Politik, in seinen Äußerungen kann ich nur die folgenden sieben Konstanten entdecken. Keine von ihnen hat etwas mit rationaler Politik zu tun; alle führen ins Chaos.
- Ausverkauf an Russland. Trump hat bisher alles getan, um den Interessen Putins – der ihn offenbar fest in der Hand hält – zu dienen. Er hat das State Department verkrüppelt. Er hat von Anfang an versucht, die Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu kippen; das ist ihm, weil der Kongress an ihnen festhielt, nicht ganz geglückt, aber er weigert sich nun, dieser Weisung des Kongress zu gehorchen. Er lässt den Russen in Syrien freie Hand. Und er unternimmt alles, damit sich der Abstand zwischen den USA und Europa vergrößert. Aus Sicht Putins sind die EU ebenso eine feindliche Macht wie die Vereinigten Staaten, weil es sich bei ihr um ein liberales Gebilde handelt, in dem gewisse rechtsstaatliche Regeln gelten. Putin setzt dagegen bekanntlich auf die faschistische Vision von einem „eurasischen Großraum“.
- Rassismus. Trumps Vater war beim Ku Klux Klan; die Trumps haben sich geweigert, in ihren Häusern Schwarze wohnen zu lassen. (Die entsprechenden Anträge wurden mit „C“ markiert, was für „coloured“ stand.) Aus den öffentlichen Äußerungen Trumps möchte ich hier nur zwei herausgreifen: Er hat den Bürgerkrieg, der die Sklaverei in den Vereinigten Staaten beendete, für einen „Fehler“ erklärt („Warum konnten sie das nicht unter sich aushandeln?“), und er hat nach dem Terrorangriff der Nazis in Charlottesville gesagt, unter den Nazis – die unter dem Slogan „Jews will not replace us“ marschierten – hätten sich „very fine people“ befunden. Ausdruck dieses Rassismus ist die Gnadenlosigkeit, mit der wir Amerikaner derzeit Flüchtlingsfamilien etwa aus Honduras behandeln. Kinder von Leuten, die beim illegalen Grenzübertritt geschnappt werden, sollen laut Orde von Jeff Sessions getrennt von ihren Vätern und Müttern in eigenen Haftanstalten untergebracht werden: auch Kleinkinder, auch Babys.
- Merkantilismus. In Trumps Weltbild gibt es nur „winners“ und „losers“. Es gibt keine Situation, von der beide Seiten profitieren klönnten. Wenn eine Nation mehr importiert als exportiert, ist sie für Trump eine Nation von „losers“. Deswegen ist Deutschland in seinen Augen der geopolitische Hauptfeind: Es exportiert Autos in die USA. Jeder Unternehmer, jeder Wirtschaftswissenschaftler seit dem großen Adam Smith weiß natürlich, dass das ein horrender Blödsinn ist. Aber Trump war eben nie Unternehmer. Er hat nur – unterstützt von russischem Mafia-Geld – einen Unternehmer im Fernsehen gespielt.
- Korruption. Dies ist die korrupteste Regierung, die Amerika je hatte. Diese Geschichte ist noch sehr neu, wir kennen noch nicht alle Details, aber jetzt schon ist klar, dass Pharma- und andere Konzerne sowie ein russischer Oligarch, der mit Putin in engstem Kontakt stand, Millionenbeträge an Michael Cohen, Trumps Mädchen für alles Schmutzige, bezahlt haben. Wofür? Wahrscheinlich für „access to the president“; wir dürfen das getrost als „Schmiergeld“ übersetzen. Der philippinische Botschafter in Washington. D.C., ist ein ehemaliger Geschäftspartner von Trump; er ist momentan hauptsächlich damit beschäftigt, Schecks an Trump auszustellen. Auch Jared Kushner hat seine Zeit als inoffizieller Außenminister der Vereinigten Staaten genutzt, um seine Immobilienfirma, die zutiefst pleite war, finanziell zu sanieren.
- Die Faustregel: „Alles, was Obama gemacht hat, war falsch.“ Dies ist auf jenen Moment zurückzuführen, in dem Obama bei einem „Correspondent´s Dinner“ Witze auf Kosten von Trump machte, der mit hochrotem Kopf dabeisaß. Das hat er nie verziehen. (Außerdem ist Obama schwarz, weswegen Trump alles getan hat, um den rassistischen „birther“-Mythos zu verbreiten.) Dafür rächt Trump sich nun als Präsident, indem er versucht, alles niederzureißen, was Obama als politisches Erbe hinterlassen hat – angefangen mit Obamacare. In keinem Fall hat Trump dabei auch nur eine Ahnung, wodurch das Niedergerissene zu ersetzen wäre. Das gilt auch für den Atomdeal mit dem Iran.
- Verschwörungsdenken. Bitte nicht vergessen, dass Trump zu den Fans von Alex Jones gehört. Seine Hauptbeschäftigung im Weißen Haus besteht darin, sich „Fox News“ anzuschauen, in dem eine Verschwörungstheorie nach der anderen dramatisch aufbereitet wird („Uranium One“ usw.). Meiner Ansicht nach ist auch Trumps Judäophilie – durch die er sich von der AltRight unterscheidet – ein Resultat nicht nur des Umstandes, dass seine Tochter einen Juden geheiratet hat und zum Judentum konvertiert ist, sondern auch des Verschwörungsdenkens: Trump glaubt an den Mythos, dass Juden wahnsinnig viel Macht hätten (vgl. seine Äußerung, er wolle, dass einzig und allein „Typen mit Jarmulke“ sein Geld zählen); nur bewundert er die Juden dafür.
- Bewunderung für Autokraten. Damit meine ich nicht so sehr Putin (vor dem hat Trump, glaube ich, vor allem Angst); ich meine eher den Schlächter Duterte und Xi Jinping, der sich gerade zum Führer Chinas auf Lebenszeit ernennen ließ. Diese Bewunderung geht weit über eine „Realpolitik“ á la Kissinger, also das Zweckbündnis mit rechtsradikalen Regimen gegen den Kommunismus, hinaus. Die Liebe ist so echt wie weiland die (unerwiderte) Liebe Stalins zu Hitler. Und natürlich steckt hinter dieser Liebe der Wunschtraum, die Vereinigten Staaten in eine Autokratie umzuwandeln. Deswegen der rhetorische Dauerangriff auf Journalisten („Feinde des Volkes“) und die unabhängige Justiz.
Was aus alldem für Europa folgt, weiß ich nicht. Es ist müßig, Trump durch gutes Zureden auf den Pfad der Vernunft zu führen; das hat vor Macron schon McMasters versucht und ist kläglich daran gescheitert.
Natürlich ist die EU, wie Bernd Rheinberg mit Recht sagt, immer noch die größte Wirtschaftsmacht der Erde. An dieser Tatsache wird auch der korrupte, rassistische Möchtegernautokrat im Weißen Haus nicht ganz vorbeikommen. Außerdem kann man darauf hoffen, dass bei den „midterm elections“ die Demokraten die Mehrheit zumindest im Repräsentantenhaus erringen und Trump dann zumindest ausgebremst wird. Aber bis November dauert es noch lange. In der Zwischenzeit kann viel passieren.
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Bernd Rheinberg gibt sich mit dieser Antwort immer noch nicht zufrieden. Warum Hannes Stein zwar damit recht haben könnte, dabei aber doch völlig falsch liegt, das erklärt dieser Widerwiderspruch.