Die phantastischen Wirkprinzipien der Homöopathie stehen im Widerspruch zu grundlegenden Erkenntnissen der Naturwissenschaften. Letztlich basiert die Homöopathie auf einem Weltbild, das mehr mit Schamanismus und Voodoo gemein hat als mit Medizin.

Der Streit über die Wirksamkeit der Homöopathie wird vermutlich niemals enden. Egal, wie viele Studien, Metaanalysen und Gesamtbetrachtungen der Studienlage belegen, dass die Zuckerkügelchen und Tinkturen nicht besser wirken als ein Placebo – Anhänger der Zauberlehre finden immer einen Weg, sich gegen die Evidenz zu immunisieren. Notfalls reicht ein knappes „Wer heilt, hat Recht“ oder „dem Cousin meines Briefträgers hat’s aber geholfen“. Wissenschaftlich betrachtet ist der Drops längst gelutscht, Forschungsgeld ist in anderen Bereichen deutlich besser angelegt.

Statt also noch einmal ausführlich auf Konzepte wie Randomisierung, Verblindung und Kontrolle oder auf den Placeboeffekt einzugehen, soll es hier um die Plausibilität gehen. Wie funktioniert Homöopathie eigentlich (zumindest angeblich)?

Die Logik des Kannibalen: Gleiches heilt Gleiches

1790 fand der spätere Begründer der Homöopathie, Samuel Hahnemann, im Selbstversuch heraus, dass die Einnahme von Chinarinde bei ihm Fieber auslöst. Chinarinde wurde damals als Mittel gegen die Fieberkrankheit Malaria eingesetzt. Aus dieser Beobachtung leitete Hahnemann sein „einzig naturgemäßes Heilgesetz“ ab: similia similibus curentur – Ähnliches werde durch Ähnliches geheilt. Nach homöopathischer Überzeugung lassen sich Krankheiten durch Substanzen heilen, die beim Gesunden ähnliche Symptome auslösen.

Tatsächlich könnte man anführen, dass Impfungen ja auf einem ganz ähnlichen Prinzip basieren. Allerdings gibt es dafür einen eindeutigen und sehr spezifischen Wirkmechanismus: Impfungen funktionieren, weil sie dem Immunsystem ein Virus oder ein Bakterium beziehungsweise Teile davon präsentieren, so dass die körpereigene Abwehr lernen kann, sich gegen den Erreger zu wehren –  eine gut testbare und entsprechend gut getestete und auf Infektionskrankheiten beschränkte Theorie.

Hinter der Homöopathie hingegen steht die gänzlich unbelegte Überzeugung, dass jede Substanz, die ein Symptom bei gesunden Menschen auslöst, dieses Symptom bei Kranken bekämpft. Das erinnert an die Logik des Kannibalen, der die Essenz eines Anderen aufnimmt, indem er dessen Körper verspeist. Eine modernere Variante dieses Schamanenrituals betreiben Drogeriemarktkunden, die sich Cremes mit Pfirsichextrakt auf die Haut schmieren, um so die Eigenschaften der Frucht auf sich zu übertragen.

Der Blick ins Angebot der homöopathischen Mittelchen offenbart dann die zu erwartenden Absurditäten: Gegen Ekel gibt‘s „excrementum caninum“, also verdünnter Hundekot (ist auch gut bei Schlafmangel). Ein Stück Berliner Mauer hilft bei – Sie werden’s erraten haben – allerlei „Blockaden“ und sozialer Vereinsamung. Ansonsten machen die „Wirkstoffe“ einer gut sortierten homöopathischen Apotheke jeden mittelalterlichen Alchemisten und jede Märchen-Kräuterhexe neidisch – vom Herz einer Amsel über Fledermausblut bis zu Delfinmilch und Leopardenurin.

Durchfall, Schweiß und Feenträume: Das homöopathische Arzneimittelbild

Grundlage der homöopathischen Pharmazeutik ist die sogenannte Arzneimittelprüfung (sogenannt, weil es sich weder um Arzneimittel handelt noch um eine Prüfung). Dafür nehmen gesunde Menschen frei von jeder wissenschaftlichen Methodik und Kontrolle Substanzen ein und notieren dann ihre Selbstbeobachtungen: „Neu auftretende Symptome, wie die Ausbildung von Entzündungen, Veränderungen der Ausscheidungen oder vermehrtes Schwitzen werden genauestens beobachtet und protokolliert.“

Je nach Neigung und Tagesgemüt kommen da die abenteuerlichsten Symptome zusammen. Nach der Einnahme von weißem Marmor traten unter anderem auf: Schwindel, Taubheitsgefühl der Stirn, Schmerzen im rechten Unterkiefer, Hitzegefühl in den Wangen, erhöhte Lichtempfindlichkeit, feuriges Gefühl in den Armen, ein juckender rechter Fuß, Kribbeln im rechten vierten Finger und vor allem (und ganz wichtig!): Träume von Feen. „Ich halte ‚Traum von einer Fee‘ für ein Schlüsselsymptom von marble white“, schreibt die Homöopathin (und Ärztin!), die diese „Prüfung“ durchgeführt hat. An dieser Stelle sollte erwähnt werden, dass Behandlungen auf Grundlage dieses Hokuspokus mittlerweile von vielen Krankenkassen bezahlt werden.

Verschüttelt, nicht gerührt: Die magische Macht des Nichts

Nun ist es durchaus möglich, dass auch Zauberzutaten wie Orichalkumpulver, Schnee aus der Sahara oder das Gift eines Mantikors eine pharmakologische Wirkung haben (bzw. hätten, wenn es sie denn gäbe). Doch die Homöopathie treibt die Absurdität noch einen Schritt weiter und kappt das Grundprinzip von Ursache und Wirkung durch das Entfernen des Wirkstoffs aus dem Arzneimittel.

„Potenzieren“ nennt das der Homöopath. Das Mittel wird im Verhältnis 1:10 (D-Potenz) oder 1:100 (C-Potenz) mit einem Lösungsmittel wie Wasser oder Alkohol verdünnt. Die Standard-Potenz für die bereits beschriebene Arzneimittelprüfung ist C30. Das bedeutet, dass von der 1:100-Lösung ein Tropfen genommen und erneut mit 100 Tropfen Lösungsmittel verdünnt wird. Davon dann wieder ein Tröpfchen und so weiter – 30 Mal. Von Verdünnung kann hier eigentlich gar nicht mehr gesprochen werden, weil zuletzt nur noch Lösungsmittel mit Lösungsmittel gemischt wird. Zur Veranschaulichung: Schon eine D30-Potenz entspricht dem Auflösen eines Zuckerstückchens in einem Ozean mit dem Volumen von 1000 Erdkugeln. Bei C30 geht es in den Bereich von Galaxien – und zwar Milliarden davon.

In solchen Mitteln ist kein einziges Wirkstoffmolekül mehr enthalten. Globuli sind schlichtweg verzauberter Zucker. Denn Zaubern ist Teil des Verschüttelung oder Dynamisierung genannten Verdünnens: Für jeden Verdünnungsschritt wird ein neues Glas verwendet, das anschließend genau zehnmal rhythmisch in Richtung Erdmittelpunkt auf einen mit Leder überspannten Gegenstand geschlagen wird. Erst dadurch werde aus der Verdünnung auch eine Potenzierung, war Hahnemann überzeugt. An dieser Stelle sollte vielleicht noch einmal erwähnt werden, dass Krankenkassen die Kosten für solche Rituale übernehmen.

Im Krieg mit der Physik: Wasser hat ein Gedächtnis

Dass von einem „Arzneimittel“ ohne Wirkstoff eine pharmakologische Wirkung ausgehen soll, steht in so krassem Widerspruch zu den Naturgesetzen, dass es selbst den Priestern der Homöopathie irgendwann aufgefallen ist. Oberpriester Hahnemann schwurbelte dazu in seinem „Organon der Heilkunde“: „Ungemein wahrscheinlich wird es hierdurch, daß die Materie mittels solcher Dynamisationen (Entwicklungen ihres wahren, inneren arzneilichen Wesens) sich zuletzt gänzlich in ihr individuelles geistartiges Wesen auflöse und daher in ihrem rohen Zustande, eigentlich nur aus diesem unentwickelten geistartigen Wesen bestehend betrachtet werden könne.“

Ungemein unwahrscheinlich erscheint es hingegen, dass jeder Dritte Deutsche regelmäßig zu Mittelchen greifen würde, deren Wirksamkeit über das geistartige Wesen von Materie, sprich über Magie erklärt wird. Deswegen heißt es heute nicht mehr „Geist“, sondern „Information“. Die Information des Wirkstoffes werde durch das Verschütteln auf das Lösungsmittel übertragen. Anschließend wird der Wirkstoff nicht mehr gebraucht. Wasser hat also ein Gedächtnis.

Damit es am Ende aber nicht wieder nur auf irgendwelche Geister hinausläuft, braucht es einen Mechanismus für die Funktion dieses Gedächtnisses. Hier wird häufig die besondere Fähigkeit von Wassermolekülen herangezogen, Strukturen („Cluster“) zu bilden. Das Prinzip ist aus dem Chemieunterricht bekannt: Der Sauerstoff in einem Wassermolekül zieht stärker an den Bindungselektronen als der Wasserstoff. Das macht Wasser zu einem elektrischen Dipol. In flüssigem Wasser orientieren sich die Wasserstoffatome wegen ihrer positiven Teilladungen zu den negativen Teilladungen der Sauerstoffatome anderer Wassermoleküle.

Dass Problem ist nur, dass solche Wasserstoffbrückenbindungen extrem kurzlebig sind. Sie halten für etwa 50 Femtosekunden, also für 0,000.000.000.000.005 Sekunden. Das Gedächtnis des Wassers ist also verdammt kurz. Vom Verzaubern, ähh Verschütteln, bis in die Apotheke hat das Homöopathikum die ganze schöne Information längst vergessen.

Zauberwasser: Nicht nur ein Gedächtnis, sondern auch ein Bewusstsein

Allerdings könnte selbst ein wässriges Elefantengedächtnis die Wirkung gar nicht erklären. Denn Wasser ist niemals einfach nur Wasser. Es enthält immer auch andere Substanzen, zumindest in Spuren. Warum also erinnert sich das Wasser ausgerechnet an den homöopathischen Hundekot, nicht aber an das Uran aus dem Gestein, durch das es gelaufen ist, oder an den Menschenurin aus der Kläranlage, in der es einst war?

Das Wasser muss sich also nicht nur erinnern, es muss die „Information“ auch bewerten können. Homöopathisches Wasser hat ein Gedächtnis und ein Bewusstsein, es ist intelligent. Es hat sogar einen Sinn für Ästhetik, wenn man nach den Experimenten des von Esoterikern gefeierten Masaru Emoto geht. Der hat in leider nicht reproduzierbaren Versuchen herausgefunden, dass Wasser besonders schöne Eiskristalle ausbildet, wenn man ihm Beethoven vorspielt. Bei Heavy-Metal hingegen ist’s vorbei mit den Schneeflöckchen, und das Wort Hitler scheint Wasser auch nicht zu gefallen. Wurde hier eigentlich schon darauf hingewiesen, dass Behandlungen mit auf Zuckerkügelchen gesprühtem, intelligentem Wasser von den Krankenkassen bezahlt werden?

Man kann es nur wiederholten: Homöopathie ist eine Zauberlehre, die auf ganz und gar magischen Vorstellungen basiert. Sich nach einem Studium der Medizin zum Homöopathen fort- (hier wohl im Sinne von weg, nicht von weiter) bilden zu lassen, ist so, als würde ein Meteorologe seine Ausbildung um indianische Regentänze erweitern. Oder ein Astrophysiker sich im Erstellen von Horoskopen üben. Homöopathie ist angewandte Esoterik, keine Medizin.

 

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Bio bedeutet ungespritzt. Kernreaktoren können explodieren. Kuba hat ein vorbildliches Gesundheitssystem. Der Körper kann entschlackt werden. Die Meere sind überfischt. Wassersparen schont die Umwelt. Tierversuche sind überflüssig. In unregelmäßigen Abständen begibt sich Johannes Kaufmann hier auf Mythenjagd. Themenvorschläge werden gern entgegengenommen.

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